Kartenspiele für 6 Personen

Wie bitte? Den Anfang der Rangliste macht ein 30 Jahre altes Spiel? Und das obwohl Sticheln der Jury für das Spiel des Jahres keine Erwähnung wert war und es beim Deutschen Spielepreis nur für Platz 8 reichte? Hält man sich noch vor Augen, dass die Zahl der Neu-Erscheinungen 1993 deutlich geringer war als heute, dann hat Sticheln wahrlich nicht sonderlich gut abgeschnitten. Andererseits: Welches Kartenspiel hat das schon?

RangSpielCharakterAlterSpielerDauer
1StichelnStichspiel10+3-630
2KuhhandelVersteigerung10+3-660
3InsiderDeduktion8+5-815
4CodenamesDeduktion10+4-830
5Just OneDeduktion8+4-720
67 WondersDrafting10+3-730
7Lovecraft LetterDeduktion10+2-630
8WizardStichansage10+3-645
9SaboteurDeduktion8+5-1030
106 nimmt!Kartenablage8+2-1020

Wie dem auch sei: Klaus Palesch bietet mit Sticheln ein bis heute ungewöhnliches Stichspielvergnügen. Den Stich gewinnt nicht die höchste Karte der angespielten Farbe, sondern genau umgekehrt, alle Karten der nicht angespielten Karten sind stärker und deren höchste Zahl gewinnt. Trümpfe? Fehlanzeige! Und dann verfolgen alle auch noch unterschiedliche Ziele. Jede:r hat genau eine Farbe, die ihr:m Minuspunkte in Höhe des Kartenwerts einbringt, alles andere zahlt positiv aufs Konto ein – aber nur einen Punkt pro Karte. Man muss sich also gehörig umgewöhnen im Vergleich zu den üblichen Stichspielen. Statt danach zu trachten, möglichst fette Stiche zu erzielen, ist man vor allem damit beschäftigt, nicht zu viele Minuspunkte einzukassiern, die trotz aller Vorsicht schon mal heftig zusammenfallen können.

In seiner erheiternden Grausamkeit ist Sticheln wohl eher nichts für kleine Kinder, zumal sich das seltsame Spielprinzip auch nicht sogleich erschließt. Dafür kann man es immer wieder spielen, weil sich keine Runde wie die andere spielt und man ständig darum bangt, keinen fetten Stich mit Minuspunkten abzuräumen. Und einen ersten Preis hat Sticheln doch eingefahren: beim Kartenspielpreis À la carte!

Kuhhandel wurde im Original 1985 von Rüdiger Koltze für fünf Spieler entwickelt. Offenbar ist erst später aufgefallen, dass das bis heute unerreicht lustige Versteigerungsspiel auch zu sechst ganz hervorragend funktioniert, denn das seit 2009 erhältliche Kuhhandel Master bietet (neben einer verunglückten Grafik) das nötige Material dafür. Auf die beigefügten Prämien und Ratten kann allerdings verzichtet werden, bringen sie doch nur unnötige Unwucht ins Spiel. Allein die Variante, dass Geld wie Punkte zählt, fügt einen interessanten Aspekt hinzu, statt am Ende einfach all-in zu gehen. Dafür allerdings braucht es gar kein Zusatzmaterial. Warum aber steht Kuhhandel nicht auf Platz 1 der Rangliste? Weil es derart nervenaufreibend ist, dass man es nicht jeden Tag spielen kann.

Dem Spiel Insider erging es 2016 noch übler als Sticheln zwanzig Jahre zuvor: Es hat überhaupt keinen Preis gewonnen, erfreut sich aber ebenfalls großer Beliebtheit. Es spricht allerdings eine völlig andere Klientel an. Akihiro Itoh ist so etwas wie die gelungene Umsetzung des alten Fernseh-Quiz „Wer bin ich?“ gelungen. Nur geht es hier nicht um Berufe, sondern um alles Mögliche, je nachdem welcher Begriff gerade auf der Karte steht. Weil dieser unbegrenzte Möglichkeitsraum die Aufgabe erheblich erschwert, gibt es einen Insider, der neben dem Spielleiter die Antwort ebenfalls kennt, sich aber nicht zu erkennen geben darf. Freilich hat es je nach gesuchtem Begriff der Insider leichter oder schwerer, eine ebenso wilde wie äußerst unterhaltsame Fragerei bleibt es aber so oder so. Mindestens fünf Mitspieler:innen sollten es allerdings schon sein.

Verglichen mit Insider ist Codenames ein schwierigeres Deduktionsspiel, das 2016 dennoch den einsteigerfreundlichen Preis zum Spiel des Jahres gewinnen konnte, denn die Schwierigkeit liegt eigentlich nur darin, geeignete Hinweise zu finden. Die Spielregeln selbst sind kinderleicht, nicht aber die Mehrdeutigkeiten geschickt zu nutzen, um das Team in Führung zu bringen. Das ist wahrlich anspruchsvoll und kann schon mal zu Denkpausen führen, weshalb dem Spiel für den Fall der Fälle auch gleich eine Sanduhr beiliegt. Nach einiger Übung geht es aber meist ohne. Wem ein wenig Denksport dieser Art Freude bereitet, dem bietet Codenames von Kultautor Vlaada Chvátil (Galaxy Trucker, Dungeon Lords, Through the Ages, Mage Knight) aufgrund seiner Variabilität endloses Spielvergnügen. Das Spieldesign ist genial einfach und irre fordernd zugleich.

Wem das zu anstrengend vorkommt, ist mit Just One von Ludovic Roudy und Bruno Sautter bestens bedient. Das Spielprinzip ist noch einfacher und verlangt den Spielern weniger ab. Jung und alt schreiben einfach genau ein Wort auf ihren Aufsteller, Dopplungen fliegen raus und reihum immer eine Person muss sich dann aus diesen Einwort-Tipps das Lösungswort ableiten. So einfach und zugleich so kurzweilig, das Spiel des Jahres von 2019 geht immer.

7 Wonders gilt als die Erfindung des Drafting: Karten werden reihum gegeben und jede:r sucht sich immer genau eine aus. Wir stehen dann jedes Mal vor der Wahl, die beste Karte für uns selbst zu nehmen oder vielleicht doch die Killer-Kombo unserer Nachbarn zu verhindern. Kombos sind auch genau das, worum sich alles beim Aufbauspiel 7 Wonders von Antoine Bauza dreht. Erst braucht man Rohstoffkarten in der richtigen Kombination, um damit dann Gebäudekarten in den verschiedenen Bereichen Militär, Handel, Wissenschaft, Profanbauten oder eben Weltwunder zu errichten, die in der richtigen Kombination am meisten Punkte versprechen. Verblüffend schnell erwächst mit nur 18 ausgespielten Karten in einer guten halben Stunde ein kleines Reich. Trotz der wenigen Karten und trotz der kurzen Spielzeit verläuft keine Partie gleich und es gilt, verschiedene Strategien auszuprobieren. Die Interaktion, dass sollte nicht übersehen werden, reduziert sich allein aufs Drafting. Der Karton des Kennerspiels des Jahres von 2011 ist übrigens für ein Kartenspiel beachtlich groß – und halb leer.

Deutlich interaktiver und direkter geht es bei Lovecraft Letter aus dem Jahr 2017 zur Sache. Es gibt kein Drafting und jede:r hat nur eine Karte in der Hand. Wer dran ist, zieht noch eine und entscheidet, welche sie oder er ausspielen möchte. Und das ist knifflig, denn jede Karte hat ihre besondere Eigenschaft: Manche töten andere, manche töten einen selbst, manche erkunden, manche schützen und noch ein paar andere Sachen. Außerdem gibt es nur 25 Karten: Mit der Zeit wird also klar, was wer haben könnte oder sogar müsste. Wenn das Spiel nicht vorzeitig endet, gewinnt, wer die Karte mit dem höchsten Wert hat. Die wenigen Karten sind so schlau zusammengestellt, dass es stets um die Frage geht, andere rauszuwerfen oder lieber auf die höchste Karte zu setzen. Für zusätzliche Unterhaltung sorgt, dass man sich je nach Spielsituation in einem von zwei verschiedenen Modi befinden kann: normal oder wahnsinnig. Das Ganze führt dazu, dass man das Spiel von Seiji Kanai zunächst für wahnsinnig schlecht und trashig halten könnte, doch nach ein paar Spielen wird klar, dass sich so einiges Gemeines anstellen lässt. Eigentlich nur eine Weiterentwicklung des 2012 erschienen Spiels Love Letter, bietet der Wahnsinnsmodus dieser Variante bei höherer Spielerzahl ebenso kurzweilige wie heitere, geradezu ausgelassene Unterhaltung.

Verglichen mit Sticheln bietet Wizard, in Deutschland 1996 erstmals erschienen, ein recht klassisches Stichvergnügen: Farbzwang und Trümpfe verrichten ihren Dienst. Alles läuft also wie gewohnt bei einem Stichspiel. Man muss lediglich vor jeder Runde angeben, wieviele Stiche man wohl macht. Das ist freilich gar nicht so leicht. Liegt man daneben, gibt es Punktabzüge, weshalb andere eine gewisse Lust verspüren, einer:m die Suppe zu versalzen. Man braucht also möglichst ein gutes Gespür für die Schlagkraft der eigenen Kartenhand und muss diese dann auch noch geschickt einzusetzen verstehen. Doch die anderen geben sich freilich auch alle Mühe und so liegt ordentlich Spannung in der Luft, die zum Ende jeder Runde sowie zum Ende des Spiels hin kontinuierlich ansteigt. Außerdem zeichnet Ken Fishers Werk noch ein Kuriosum aus: Es ist das einzige Spiel, das umso schneller geht, je mehr mitspielen, weil dann weniger Runden gespielt werden.

Und noch ein von Preisen verschmähter Klassiker, diesmal aus dem Jahr 2004, gehört auf die Liste. Wer sich ohne die Anschubhilfe eines großen Preises behauptet, muss Qualität mitbringen. Bei Saboteur von Frederic Moyersoen liegt sie darin, dass zwei Parteien sich das Leben schwer machen und jede:r nur selbst weiß, zu welcher Seite sie oder er gehört. Die einen versuchen den Tunnel bis zum Gold zu graben und die anderen versuchen genau das zu verhindern, was Untertage zu so mancher Komplikation führt, woraufhin wiederum vorübergehend von den Grabungsarbeiten suspendiert wird, wer sich der Sabotage verdächtig macht. Doch auch die Unverdächtigen wollen nicht einfach nur zum Goldschatz, nein, sie wollen als erstes dorthin, um den größten Anteil zu bekommen, weshalb sie auch untereinander so manche Gemeinheit bereithalten. Ab fünf Mitspieler:innen funktioniert das gut und unterhaltsam, sofern eine gewisse Frustrationstoleranz mitgebracht wird.

Zum Abschluss fehlt noch das Universalspiel schlechthin: 6 nimmt! Der Rekordgewinner des Preises Spiel des Jahres (Heimlich & Co, Auf Achse, El Grande, Tikal, Torres) hat ein Spiel geschaffen, das in jeder Teilnehmerzahl von 2 bis 10 gut funktioniert und mit sehr überschaubarem Regelwerk auskommt. Jede:r sucht verdeckt eine Karte aus, die dann alle gleichzeitig aufgedeckt werden. Dann werden sie aufsteigend an vier ausliegenden Zeilen angelegt und wem das Unglück widerfährt, die sechste Karte in die Zeile legen zu müssen, räumt die Zeile ab und bekommt alle darauf abgebildeten Hornochsen als Minuspunkte. Damit konnte Wolfgang Kramer 1994 zwar ausnahmsweise keinen Titel beim Spiel des Jahres holen, aber dafür den Publikumspreis Deutscher Spielepreis.

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